Welche Emotion hat ein Konflikt?
Welche Emotion hat ein Konflikt?
Wenn wir an Konflikte denken, assoziieren wir oft negative Begriffe: Streit, Ärger oder sogar Eskalation. Aber welche Emotion liegt eigentlich einem Konflikt zugrunde? Gibt es ein übergeordnetes Gefühl, das Konflikte prägt? Diese Frage begleitet mich oft in meiner Arbeit als Mediatorin.
In dieser Woche durfte ich wieder verschiedene Menschen in ihren Konflikten begleiten – und ich habe erlebt, wie vielfältig die emotionalen Facetten eines Konflikts sein können.
Trauer, die verbindet
In einer Mediation war die Trauer im Raum beinahe greifbar. Beide Medianten waren zutiefst traurig über die Situation, in der sie sich befanden. Sie waren traurig darüber, dass ihre Beziehung an einem Punkt angelangt war, an dem sie nicht einmal mehr benennen konnten, wann und warum sie sich eigentlich verloren hatten.
Diese Trauer hatte etwas Verbindendes: Sie war der Ausdruck einer tiefen Wertschätzung für das, was sie einst miteinander hatten. Gleichzeitig zeigte sie, wie schwer es für beide war, einen Weg aus diesem Gefühlschaos zu finden.
Aggression, die aufrüttelt
In einer anderen Mediation begegnete mir das Gegenteil: Aggression. Sie war so präsent, dass es sich anfühlte, als säße ich auf heißen Kohlen. Jeder Satz, jede Bewegung schien den Raum zu elektrisieren.
Aggression wird oft als destruktiv wahrgenommen, doch auch sie hat ihre Berechtigung. Sie kann aufzeigen, wie tief ein Konflikt geht und welche ungelösten Themen im Hintergrund wirken. Meine Aufgabe war es, diesen Gefühlen Raum zu geben, sie zu benennen und sie letztendlich in konstruktive Bahnen zu lenken.
Hilflosigkeit und Unsicherheit
Nicht immer sind die Gefühle so laut. Oft begegnen mir auch leise Emotionen wie Hilflosigkeit oder Unsicherheit. Sie zeigen sich in kleinen Gesten, in zögerlichen Worten oder in einem Blick, der sagt: „Ich weiß nicht mehr weiter.“
Diese Gefühle zu erkennen und mit den Medianten zu teilen, ist ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit. Denn nur wenn wir die Emotionen hinter einem Konflikt verstehen, können wir auch die Ursachen erkennen – und letztlich Lösungen finden.
Die Balance zwischen Mitfühlen und Neutralität
Als Mediatorin tauche ich tief in die Gefühlswelt der Medianten ein. Ich spüre mit, lasse mich berühren – manchmal so sehr, dass ich selbst mit den Tränen kämpfen muss. Doch beeinträchtigt das meine Neutralität? Nein.
Im Gegenteil: Mein Mitfühlen zeigt, dass ich präsent bin, dass ich mich voll und ganz auf die Menschen einlasse, die ich begleite. Dennoch ist es essenziell, dass ich mich vor jeder Mediation mental vorbereite und nach der Sitzung bewusst die Emotionen loslasse, die nicht meine eigenen sind.
Meine Aufgabe ist es, den Raum für die Medianten zu halten – ohne eigene Ideen, ohne eigene Lösungen. Denn in einer Mediation geht es nicht um mich, sondern darum, dass die Beteiligten ihre eigenen Wege und Lösungen finden können.
Konflikte als Chance für Veränderung
Welche Emotion hat ein Konflikt? Es gibt keine universelle Antwort. Doch eines steht fest: Jede Emotion, die mit einem Konflikt verbunden ist, bietet die Möglichkeit, hinzuschauen, zu wachsen und neue Perspektiven zu finden.
Wenn Sie spüren, dass ein Konflikt in Ihrem Leben emotional belastend ist, lohnt es sich, innezuhalten und sich zu fragen: Was kann ich tun, um Klarheit zu gewinnen?
Konflikte sind herausfordernd – doch sie tragen immer das Potenzial zur Veränderung in sich.